Verwaltungsrats-Kandidaten «daten» Firmen nun auch Online

Verwaltungsrats-Kandidaten «daten» Firmen nun auch Online

05.06.2013 07:40; Mehrere tausend Verwaltungsräte werden jedes Jahr vermittelt – seit Neuestem auch auf Online-Plattformen. Dort kann sich jedermann für ein solches Amt bewerben. Das stösst in der Headhunter-Branche auf harsche Kritik.

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Schon in wenigen Wochen startet wieder die grosse Suche nach Tausenden von Verwaltungsräten. Ab dem Sommer wird allmählich bekannt, welche Gremiumsmitglieder sich der Wiederwahl stellen oder sich freiwillig von ihrem Posten zurückziehen. Der Zürcher Recruiter Christoph Hilber rechnet alleine bei den 20’000 grössten Schweizer KMU mit jährlich rund 7’000 Wechseln. Schweizweit sind gegen 200’000 Aktiengesellschaften verzeichnet. Im Schnitt hält jeder Verwaltungsrat sein Amt sechs Jahre inne.
Aus seiner mehrjährigen Berufserfahrung heraus weiss Hilber, dass sich längst nicht alle KMU für die Suche nach neuen Verwaltungsräten den kostspieligen Suchprozess über Berater leisten können. Deshalb bietet Hilber seit wenigen Wochen die Online-Plattform VR-netzwerk.ch an, die Verwaltungsräte vermittelt. Mit diesem Internet- Service will er den Rekrutierungskampf um Verwaltungsräte aufmischen.

Ideales Alter zwischen 45 und 55
Recruiter Hilber weiss, wie das optimale Profil eines Verwaltungsrats- Kandidaten auf seinem Online-Portal aussieht: „Sein Alter liegt zwischen 45 und 55 Jahren, wobei zwischen 20 und 30 Jahren Berufserfahrung vorausgesetzt wird. Er sollte strategisch und unternehmerisch denkend sein.“ Fachspezialisten würden gegenüber Generalisten bevorzugt, Führungserfahrung sei hingegen nicht zwingend.
Mit der Online-Vermittlung kommt wieder frischen Wind in das strategische Gremium, sagt Hilber. Viele Verwaltungsräte seien aus der Geschichte gewachsen. Das führe dazu, dass oftmals Vertraute des Gründers vertreten seien. „Das aber bedeutet oft zu gleiche Gedanken, zu wenig Aussensicht und meist ein überholtes Fachwissen“, so Hilber.

Heute aber seien immer mehr Kandidaten gesucht, die mit ihrer Unabhängigkeit und einer professionellen Einstellung punkten. Eigenschaften, die laut Hilber auf dem konventionellen Rekrutierungsweg mitunter vernachlässigt werden. Er hat ein Verfahren entwickelt, mit dem potenzielle Kandidaten – ähnlich wie bei Partnervermittlungs-Portalen – ihre Qualitäten, Kenntnisse und Eignungen in ihrem Profil hinterlassen, das anschliessend von Unternehmen abgefragt werden kann.
Hat sich das Unternehmen für einen oder mehrere Kandidaten entschieden, erhält sie gegen eine Gebühr deren Profildaten. Ab diesem Zeitpunkt ist die Arbeit von Hilber beendet. Er übernimmt keine Gewähr für einen erfolgreichen Abschluss. Bei einem Zehner- Abo betragen die Gesamtkosten gut 2500 Franken. Ein Top- Headhunter verlangt hingegen für die Suche eines einzigen Verwaltungsrats bis gegen 100’000 Franken.

Executive-Search-Unternehmen wehren sich
Gegen solche reine Kostenvergleiche wehren sich Executive-Search-Unternehmen. „Wer Verwaltungsräte vermittelt, muss erstens das Profil des Unternehmens kennen und zweitens die Anforderungen, die ein Kandidat erfüllen muss“, sagt Fredy Isler vom Winterthurer Stellenvermittler Fluris Consulting.
Für Isler ist das Ausüben eines Verwaltungsratsmandats nicht nur Vertrauenssache, sondern eine Berufung, auch in mittleren und kleinen Unternehmen. „Ein Verwaltungsrat hat heute eine grosse Verantwortung, die nicht jeder erfüllen kann“, sagt Isler und kommt deshalb zum Schluss: „Von der Suche, einen Verwaltungsrat online zu suchen, halte ich gar nichts.“

«Gefragt sind alternative Rekrutierungswege»
Dabei ist bereits früher, im Herbst 2012, mit VR-Mandat.com ein zweites webbasiertes Vermittlungsportal für Verwaltungsräte an den Start gegangen. Hinter dieser Plattform steckt der Zürcher Dominic Lüthi, der während eines MBA an einer Schweizer Fachhochschule das Bedürfnis von Unternehmen an einer einfachen und kostengünstigen Verwaltungsratssuche entdeckt hatte.
Für seine Masterarbeit interviewte Lüthi 322 Verwaltungsratspräsidenten zum Thema „Optimale VR-Komposition in Schweizer KMU“. Das Ergebnis aus dieser Umfrage bewegte ihn zur Gründung des Online-Portals. „Gefragt sind alternative Wege zu den bereits bekannten, die über engsten Beziehungsnetzwerke der bestehenden Verwaltungsratsmitglieder und seltener auch über andere Kanäle oder Headhunter führen“, sagt Lüthi im Gespräch mit cash.

Sowohl Hilber wie auch Lüthi verzeichnen auf ihren Portalen seit dem Start zunehmende Aktivitäten, und beide sind nach eigenen Aussagen mit der Anfangsphase zufrieden, ohne dabei aber konkrete Zahlen zu nennen.