Rücktritt in Würde

Rücktritt in Würde

DIE ABLÖSUNG – Wir kennen sie von Potentaten, welche vom Volk verstossen werden, wenn sie ihre Macht missbrauchen. In der Geschäftswelt sieht sie ähnlich aus: Börse und Verwaltungsrat agieren schnell, wenn das Management einmal nicht mehr tragbar ist. Bei kleineren Organisationen, wo ein Kontrollorgan wie der VR entweder identisch mit der Firmenleitung ist oder ganz fehlt, verursacht sie nicht selten Wirren. Und wenn sie gut läuft, merkt man nichts.

VR-Praxis 11/2015; TEXT CHRISTOPH HILBER
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Auch auf www.unternehmerzeitung.ch veröffentlicht.

Alphatiere sind dazu verdammt, erfolgreich zu sein. In der Regel sind sie das auch und schaffen durch ihre Energie, ihren Ehrgeiz und unbändigen Einsatz, ja – ihre ganze Persönlichkeit – einen ganzen Schweif von Einkommen, Arbeitsplätzen, Steuersubstrat und Innovationen, Produkten und Dienstleistungen, von denen die Bevölkerung oder andere Unternehmen profitieren können. Das ist ein gutes Gefühl, und man darf darauf auch stolz sein. Irgendwann aber kommt der Zeitpunkt, an dem der Zenit erreicht ist. Reitet man auf der tosenden Welle des Erfolgs, erhält der Gedanke an den Zenit nur wenig Aufmerksamkeit. Bläst der Wind rau in turbulenten Märkten, Währungskrisen und Skandalen, schaltet das Alphatier gerne nochmals einen Gang höher, um die neue Klippe auch noch zu überwinden. Man ist unersetzlich, keiner kann es besser, der Kapitän geht als Letzter von Bord. Selbst die Konsequenzen der natürlichen Alterung scheint bei einigen kein Grund zur Veränderung darzustellen.

OPTIONEN DER ABLÖSUNG
Dabei wäre jetzt vielleicht der Moment gekommen, um sich über seine Ablösung Gedanken zu machen. Ablösung heisst nicht unbedingt Austritt, sondern möglichen Nachfolgern die Chance zu geben, sein Werk weiterzuentwickeln. Wird die Ablösung dagegen zum Rücktritt, tönt es nach einer harten Landung, die nicht gewollt war. Es gibt verschiedene Optionen, wie und wann eine Ablösung stattfinden kann:
BEIM GRÖSSTEN ERFOLG Das ist der edelste und gleichzeitig härteste Zeitpunkt, denn es könnte noch ein grösserer folgen.
BEI MISSERFOLG Hier helfen in der Regel Dritte mit, ob Aktionäre, VR, die Banken oder einfach das leere Konto. Nicht empfehlenswert.
DURCH EINEN UMSTURZ Dies trifft zum Glück nur selten ein, aber doch: Die Bilder des Air France Personalchefs, dem das Hemd vom Leibe gerissen wurde oder Manager, welche im Büro als Geisel genommen werden – unschön, unnötig.
DURCH DEN RICHTER Das ist wohl das Schlimmste. Vielleicht sogar in Handschellen abgeführt zu werden, ist der Albtraum eines jeden erfolgreichen und verwöhnten Menschen. Etwas muss schief gegangen sein.
SELBST BESTIMMT Die Einsicht, sich Gedanken über die eigenen Ziele und Grenzen machen zu müssen, ist der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) in eigener Sache. Nachfolgeplanung gehört bei Führungspersönlichkeiten spätestens ab dem 55sten Lebensjahr auf die Agenda. Nachfolgeregelungen sind bei Grossunternehmen ein Teil der Governance. Bei kleinen Unternehmen ist dies oft eine Frage der Kosten. Bis die passende Persönlichkeit gefunden ist, die Einarbeitung und Integration in die oft sensible Firmenkultur stattgefunden hat, braucht es seine Zeit. Und oft ist auch mehr als ein Anlauf nötig, bis der «Alte» loslassen kann, was der «Neue» übernehmen möchte.

FAZIT
Ablösung in Würde hat mit gesellschaftlicher und unternehmerischer Verantwortung zu tun. Viele CEOs, Patrons und Politiker nehmen diese vorbildlich wahr. Hier und da ist Eine(-r) blind vor Selbstsüchtigkeit und Arroganz, und hält sich tatsächlich für unersetzlich, wie in der Presse aktuell zu lesen ist. Auch wenn es sich «nur um einen Verband» handelt: Wer mit 79 Jahren nicht realisiert, dass die ganze Welt nur seinen Rücktritt wünscht, ist blind und vergibt viele Chancen. Statt den letzten Kick als Sieges-Tor zu verwerten, geht der Schuss nach hinten los und der Schütze endet im eigenen Sumpf, wenn nicht im Loch.

AUTOR
Christoph Hilber ist Betriebswirtschafter und seit sieben Jahren Headhunter mit eigener Firma: P-Connect Executive Search & Recruiting hat den Fokus auf Industrie (MEM), IT/Telekom und Positionen VR, GL und Spezialisten. Vorgängig war er in leitenden Linienfunktionen bei NCR/AT&T, diAx und Siemens.