Zurück ins «alte» Unternehmen

Zurück ins «alte» Unternehmen

HRToday – Debatte.

Ob ehemalige Mitarbeitende in einem Unternehmen wiedereingestellt werden sollen, kommt auf den Kontext an, meinen die drei Debattierenden.

Auf HRToday.ch, Debatte vom Ausgabe 31. März 2022, veröffentlicht. Download des Beitrags als PDF.

Meinung von Christoph Hilber, P-CONNECT

«Wiedereinstellung nach Kündigung – unbedingt! Unabhängig ob Mitarbeitende gekündigt haben oder gekündigt wurden. Mit zwei Vorbehalten.»

Der Vorbehalt 1: Wenn Mitarbeitenden aus schwerwiegenden Gründen gekündigt wurde, stellt sich diese Frage für beide Parteien wohl nicht.

Die Fans: Wer aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt wurde, hat sich beim Arbeitgeber und in seiner Funktion wohl gefühlt. Wer sich mit Arbeitgeber und Branche identifiziert, entwickelt oft eine Art positive DNA, welche zu hoher Identifikation führt. Das fliegende Personal einer Airline ist ein gutes Beispiel dafür. Wiedereinstellung sicherlich ja.

Die Rückkehrer mit Erfahrungsschub: Erfolgreiche Menschen möchten sich weiterentwickeln. Lebenslang in derselben Firma zu arbeiten, ist nicht schlecht, aber die Sicht wird unausweichlich einseitig. Wer andere Branchen, Firmen, Märkte, Kulturen etc. persönlich erlebt, denkt automatisch offener, kreativer und toleranter. Firmen tun sich gut daran, «externe» Mitarbeiterentwicklungen positiv zu betrachten und Rückkehrende mit Neugierde zu empfangen.

Die positiven Enttäuschten: Oft kündigen Mitarbeitende nicht ganz freiwillig. In meiner Tätigkeit erlebe ich ‘Chemie’ oder Mobbing – meist nach Reorganisationen – häufig als Kündigungsgrund. Werden positive Veränderungen wahrgenommen, bewirbt sich dieser Typus gerne wieder. Sie sind Fans.

Der Vorbehalt 2: Die Kultur im Umgang mit Mitarbeitenden ganz allgemein ist Voraussetzung, dass sich die Option ‘Wiedereinstellung’ überhaupt bietet. Im Fall einer Kündigung wird diese Kultur auf die Probe gestellt. Unabhängig von den Umständen: Wer Gekündigte bei der Neuorientierung unterstützt oder freiwillig Kündigende positiv und ohne ‘bad feelings’ verabschiedet, lebt eine positive Kultur – ein Muss für eine Rückkehr.

Übrigens: Als Personalberater betrachte ich eine Wiederanstellung als bessere Referenz als jedes Arbeitszeugnis. Und im Rahmen des aktuellen Arbeitskräftemangels ist Wiederanstellung ja/nein wohl sowieso keine grosse Frage.

Meinung von Samuel Horner, Rechtsanwalt und Notar, Advokatur 107

«Wurde ein Arbeitsverhältnis nicht im Streit beendet, kann eine Wiedereinstellung vorteilhaft sein.»! 

«Zurück zur Ex» wird in der Berufswelt immer populärer. Nach dem Austritt könnte also vor dem Eintritt sein. Arbeitgebende sind daher gut beraten, wenn sie bereits beim Austrittsmanagement (Kündigungsgespräch, Alumni-Programme, «stay in touch») solide Arbeit leisten und die rechtlichen Spielregeln einhalten. Die freiwillige Wiedereinstellung eines Mitarbeitenden macht jedoch nur in einigen Fällen Sinn. Beispielsweise, wenn ein Betrieb aufgrund äusserer Umstände eine Kündigung aussprechen musste oder ein Mitarbeitender von sich aus den Wunsch äussert, wieder in den Betrieb zurückzukehren. Ein Beispiel dafür ist der Fall Swiss: Hier wurde während der Corona-Pandemie ein Teil der Belegschaft entlassen und einige Monate später wurde den Entlassenen ein Wiedereinstellungsangebot gemacht.

Wurde ein Arbeitsverhältnis nicht im Streit beendet und sprechen keine personellen oder unternehmerischen Gründe dagegen, kann eine Wiedereinstellung vorteilhaft sein: Die Vertragsparteien kennen sich bereits und aufwendige Einarbeitungsperioden, die oft auch mit rechtlichen Risiken verbunden sind, entfallen. Zudem ist finanziell aufwendiges Rekrutieren unnötig. Aus rechtlicher Sicht sollten die Parteien mögliche Auslegungspunkte einer Wiedereinstellung unmissverständlich regeln. Dazu zählen Themen wie die Vereinbarung einer neuen Probezeit sowie die Anrechnung der alten Beschäftigungsdauer (das Dienstalter kann für Themen wie Lohnfortzahlungspflicht oder Boni relevant sein).

Nebst der freiwilligen Wiedereinstellung sieht das Gesetz im Arbeitsrecht wenige Fälle vor, in denen auf Wiedereinstellung geklagt werden kann. Wird die Arbeitgebende zu einer solchen gezwungen, ist jedoch oft bereits zu viel Geschirr zerschlagen, sodass die Weiterbeschäftigung meist wenig Zukunft hat. Ein Mitarbeitender sollte sich also vor der Initiierung einer Klage gut überlegen, ob er diese Belastung in Kauf nehmen möchte.

Meinung von Thomas Landolt, Partner bei Barnickel & Fellows GmbH

«Für Unternehmen empfiehlt es sich, gute ehemalige Mitarbeitende nie ganz aus den Augen zu verlieren.»

«Ökonomisch betrachtet, kann die Wiedereinstellung ehemaliger Mitarbeitender von grossem Vorteil sein – vorausgesetzt, die Trennung verlief in gutem Einvernehmen und der Kontakt wurde aufrechterhalten. Entscheidend sind die Gründe, weshalb sich die Parteien entschieden, unterschiedliche Wege zu gehen. Angestellte, die sich neu orientieren, wollen sich beruflich und persönlich entwickeln. Sie möchten beispielsweise Auslanderfahrungen sammeln, eine neue Branche kennenlernen oder sich zusätzliche Skills aneignen. Solche Schritte sind in einer anderen Firma oftmals einfacher als im angestammten Betrieb. Parallel dazu müssen sich Firmen den sich ständig ändernden Marktbedingungen anpassen – in Corona-Zeiten mehr denn je.

Gegenwärtig ist beispielsweise die gesamte Reisebranche «auf Sicht» unterwegs. Da erstaunt es keinesfalls, wenn manche (Personal-) Entscheidungen nachgebessert werden müssen. Ein anderes Beispiel ist das Gesundheitswesen, wo sogar darüber nachgedacht wird, ehemalige Angestellte mittels Prämien zur Rückkehr zu motivieren. Bekannt sind mir auch Fälle aus der Financial-Service-Industrie, bei denen ehemalige Mitarbeitende mit «Boomerang Hirings» ins Unternehmen zurückgeholt wurden. Aus meiner Sicht spricht aus Firmen- sowie aus Angestelltenperspektive einiges für ein solches Vorgehen: Ehemalige Mitarbeitende kennen die Organisation, die Kultur, die Produkte und Dienstleistungen, aber auch die Prozesse und verfügen oft über ein etabliertes Netzwerk. Das hat für beide Seiten Vorteile. Personen, die neu dazustossen, müssen sich diese Kenntnisse dagegen erst aneignen und Beziehungen über eine längere Zeit aufbauen.

Für HR-Verantwortliche kann es aus Kostensicht lohnend sein, ehemalige Mitarbeitende im Talent-Pool zu behalten und mit diesen über Social Media verbunden zu bleiben. Job Postings, die via Linkedin oder Xing geteilt werden, erreichen über Firmen-Follower so auch deren Netzwerke. Für Unternehmen empfiehlt es sich deshalb, gute ehemalige Mitarbeitende nie ganz aus den Augen zu verlieren. Einerseits war das dank zahlreicher Vernetzungsmöglichkeiten noch nie so einfach, andererseits aufgrund des sich verschärfenden Fachkräftemangels aber auch noch nie so notwendig.