SPANNUNGSFELD DER SYSTEME Wir haben Robert Suter von der ROSCON GmbH getroffen und mit ihm über die Vielfalt der Verwaltungsräte gesprochen. Der langjährige CEO verriet uns auch, warum es im Verwaltungsrat kritische sowie kreative Köpfe braucht. Und warum es nicht schadet, wenn man über ein gutes Sensorium für externe Chancen und Gefahren verfügt.
Gespräch mit MATEJ MIKUSIK und CHRISTOPH HILBER
Download des Interviews als PDF. Auch auf www.unternehmerzeitung.ch/VR-Praxis Heft 10.2019 und www.moneycab.com veröffentlicht.
Robert Suter hat schon einiges gesehen und erfahren in seiner langen Karriere auf Corporate-Level. Seit diesem Jahr ist er nun geschäftsführender Inhaber der ROSCON GmbH. Zuvor war er zwei Jahre CEO beim Zigarrenhersteller Villiger Söhne und davor sechs Jahre Konzernchef des Mischkonzerns Conzzeta, zu dem die Sportartikelmarke Mammut gehört.
Vor dem Jahr 2000 war der ETH-Ingenieur unter anderem für ABB, Oerlikon und andere Firmen im In- und Ausland tätig. Ursprünglich begann er seine Karriere als Ingenieur in der Luft- und Raumfahrt. Robert Suter hat Erfahrung mit verschiedenen Rollen, auch in internationalen Verwaltungsräten. Als ehemaliger CEO und Geschäftsführer mit langjähriger, multikultureller Erfahrung bringt er den notwendigen Rucksack mit, um zu wissen, was ein moderner Verwaltungsrat heute braucht.
SEHR BREITES FACHWISSEN AUS VIELEN BRANCHEN
Seine Expertise reicht von Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik, Chemie- und Kunststoffindustrie bis hin zur Luft- und Raumfahrt – sowohl in von Eigentümern geführten als auch börsenkotierten Unternehmen. Die Konsumgüter- und Immobilienbranche sind ihm alles andere als ein Fremdwort – sei es in internationalen Konzernen oder bei Schweizer KMU. Wir haben den 60-Jährigen zum Gespräch getroffen – und im Verlaufe des Interviews einen blitzschnellen Analytiker und Kenner der Corporate- und Verwaltungsrats-Szene vorgefunden.
Herr Suter, Sie sind ein umtriebiger Geschäftsmann und hätten sich eigentlich zur Ruhe setzen können.
Eigentlich wollte ich auch aufhören, habe jetzt aber meine eigene Firma und engagiere mich in unterschiedlichen Verwaltungsräten. Auch unterstütze ich Unternehmen auf Mandatsbasis und biete persönliche Coachings an. Und das macht mir sehr viel Spass!
Sie unterstützen in dieser Funktion auch Startups.
Ja, als Verwaltungsrat der Rothorn Group, eines Private Equity Start-ups. Dann arbeite ich auch für eine Firma in Hongkong, die Transaktionen zwischen China und Europa realisiert. Die Gründer stammen ursprünglich aus Genf, aber sie haben den Kern ihres Geschäftes nach Hongkong verlegt. Das sind alles junge Leute – sie sind zu fünft nach Hongkong gegangen, haben inzwischen 35 Mitarbeiter und verwalten zwei Milliarden Franken Vermögen.
Wie würden Sie die Diskrepanz zwischen einem Weltkonzern und einem Familienbetrieb – oder auch einem Startup – beschreiben?
Als Verantwortlicher in einem Grosskonzern hat man immer viele Leute, die man fragen kann. Es gibt immer jemanden, der sich auskennt. Es ist – gerade in einer Führungsfunktion – sehr viel leichter, wenn man Mitstreiter mit entsprechender Erfahrung um sich herum hat. In grösseren Konzernen ist es zudem auch besser, wenn man sich weiterentwickeln und lernen will. In einem kleinen Unternehmen ist man mehrheitlich auf sich alleine gestellt. In Familienbetrieben gibt es oft einen Patron, der nie Zeit hat und natürlich diverse Spannungsfelder zwischen Verwaltungsrat, Familie und Patron. Dafür ist alles viel schneller und flexibler.
Eine Art Kultur-Clash also.
Auch, ja! Es ist auch von der Führung her ein nicht zu unterschätzender Unterschied: Grosse Unternehmen müssen mit Systemen und klar strukturiert geführt werden; zum Lernen ist ein Grosskonzern etwa besser. Wenn man die Karriereleiter hinauf will, geht auch das natürlich strukturiert. Oben wird es aber immer politischer. Das ist in einem KMU alles weniger der Fall. Dafür kann es einem in einem Grosskonzern passieren, dass man sich jahrelang für etwas einsetzt und nicht sieht, dass es plötzlich fertig sein kann, weil «die da oben» es so wollen.
Wie sieht der Unterschied konkret auf Verwaltungsrats-Ebene aus?
Bei einem grossen internationalen Konzern ist die Corporate Governance entscheidend. Man ist als Verwaltungsrat weniger selber aktiv, sondern fungiert vielmehr als kritisches Kontrollorgan. Ankeraktionäre sollte man auch dort persönlich kennen und sich mit ihnen austauschen. Andere Aktionäre sind unbedeutend, da ja heute die durchschnittliche Haltezeit von Aktien dieser Unternehmen nur einige Sekunden beträgt.
Das ist bei den Verwaltungsräten der KMU diametral anders?
Im Gegensatz dazu haben bei einer kleineren Unternehmung die Aktionäre eine langfristige Ausrichtung und sind mit dem Unternehmen verbunden. Der Kontakt zu ihnen ist sehr wichtig, ebenso das Vertrauen. Es gibt auch Mischformen, wo die Ankeraktionäre mit Stimmenmehrheit im Verwaltungsrat vertreten sind, so wie zum Beispiel bei Conzzeta.
Ist die Strategie bei einem Familienunternehmen weniger klar entwickelt?
Ein Familienunternehmen verfolgt eine Strategie, sonst ist es nicht erfolgreich. Die muss man immer wieder überarbeiten.
Ist eine solche Strategie überhaupt wirklich immer vorhanden?
Nein, die ist oft nicht da, oder mindestens nicht schriftlich. Aber man sollte sie – als operativer Chef – verlangen und fragen: «Wohin soll sich das Unternehmen entwickeln? » – das muss klar sein.
Herrscht zwischen Verwaltungsrat und Familie immer Einigkeit?
Nein, aber es ist anzustreben und Differenzen sind auszudiskutieren. Es kann aber auch umgekehrt sein.
Wie umgekehrt?
In einem Beispiel kam der Eigentümer auf mich zu und wollte mich – ausdrücklich als kritische Stimme – im Verwaltungsrat haben. Eigentlich sollte jedes Familienunternehmen die entsprechende Grösse für kritische Diskussionen haben. Ich habe auch schon das Gegenteil erlebt: Familienunternehmen, bei denen die Aktionäre in zwei Jahren nicht ein einziges Mal ihre Stimme erhoben haben.
Trotz allen Vorzügen, ist das Modell eines Verwaltungsrates heutzutage nicht etwas veraltet? Ist es nicht ein Relikt aus prädigitalen Zeiten – ein veraltetes Top-Down- System?
Das Schlimmste ist, wenn ein Board nichts macht! Dann ist es veraltet. Ein Board hat eine zentrale Funktion in der Schweiz; es ist neben der Kontrolle des Geschäfts, der Auswahl des CEO auch für die Strategie des Unternehmens und damit den langfristigen Erfolg verantwortlich. Auch wenn es kriselt, ist das Board gefragt und es zeigt dann seine Stärke. In einem Startup ist das Board zusätzlich noch viel mehr im täglichen Geschäft drin und muss am Anfang tatkräftig mithelfen.
Um es an einem krassen Beispiel zu verdeutlichen: Hat im Falle Nokia das Board versagt?
Ja, auf jeden Fall, wie so oft. Meist ausgelöst durch Mitglieder, die sich nicht wirklich verantwortlich fühlen und nur den Erfolg geniessen wollen. Es ist auch die Frage: Hat jemand, der sonst irgendwo als CEO voll im Einsatz ist, genügend Zeit für diese wichtige Aufgabe?

Zur Person
Robert Suter wuchs in Kloten auf, war in Asien und Nordamerika stationiert und bildete sich an diversen Universitäten weiter. Er lebt in einer festen Partnerschaft und zählt Töfffahren, Sport und Menschen zu seinen Hobbies.