Vergütungsfrage erledigt?

Vergütungsfrage erledigt?

Dieses Jahr mussten an den GVs der kotierten Firmen erstmals die Regelungen aus der Minder-Initiative umgesetzt werden. In der Presse wurden die Resultate einer Untersuchung veröffentlicht mit dem Schluss, dass nichts geändert hat. Auch die Löhne wurden nicht kleiner, nur die Exzesse bestehen nicht mehr. Ist das Thema damit erledigt?

VR-Praxis 06/2015; TEXT CHRISTOPH HILBER
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Auf www.unternehmerzeitung.ch (gekürzt) veröffentlicht. / auch als Blog auf HRundLeadership.ch

Gemäss den Kommentaren zur Analyse in der Presse sind zumindest die Exzesse, welche schliesslich zu einem Ja an der Urne geführt haben, weg vom Tisch. Die Vergütungsausschüsse scheinen gelernt zu haben, das Thema mit Sensibilität für die Aktionäre und für das Volk zu behandeln. Was aber nicht bedeutet, dass in der Kompensationsfrage eine erträgliche Ausgewogenheit erreicht wurde.

Optionen?
Die Frage der Ausgewogenheit verlangt nach einem Massstab, nachvollziehbarem Verhältnis oder Realitätsbezug zwischen Leistung und Belohnung. Dazu einige Gedanken.

Angelsachsen als schlechten Massstab: Kommentare beschreiben die angelsächsischen Investoren als wenig sensibel für das Thema Entlohnung. Brauchen wir diese, um vertretbare Vergütungen zu definieren? Im amerikanischen Extremkapitalismus haben viele Extreme ein schlechtes Gewissen und würden sogar höhere Steuerbelastungen zur Beruhigung der Volksseele und ausgewogeneren Verteilung des Wohlstandes akzeptieren. Gerne wären sie nur so reich, dass sie sich zwar alles leisten könnten, dies aber ohne Bodyguards im Schlepptau. Auch eine aktuelle OECD Studie über die wirtschaftliche Entwicklung ihrer 34 Mitgliedländer seit 1985 bestätigt, dass Ungleichheit das Wachstum– das Credo der Wirtschaftsführer – hemme.

Risiko als Gradmesser: Die Grösse des Unternehmens, ob Umsatz, globale Präsenz oder Anzahl Mitarbeitende, ist sicher ein Gradmesser für Verantwortung und Komplexität. Ob der Skaleneffekt der Grösse proportional auf die Höhe der Saläre angewandt werden soll, ist jedoch fraglich. Das Risiko von Entscheiden in der Führungsetage von Konzernen trägt oft der Mitarbeitende und Aktionär. Angestellte Manager der Topliga leben in jedem Fall einfacher als der Unternehmer, welcher sein privates Vermögen auf‘s Spiel setzt und im negativen Fall nicht noch 12 Monate bezahlt wird, sondern einfach Pleite geht. Der Angestellte kann noch zum RAV, während der Selbständige dies nicht kann. Eigentlich müsste die Risikobereitschaft des Unternehmers zu Lasten der angestellten Manager extra belohnt werden.

Symmetrie über alle Stufen: Wenn die Resultate schlecht sind, Restrukturierungen anstehen, die Entlohnungen von VR/GL aber steigen, wird es für Mitarbeitende und Aussenstehende schwierig. Es entsteht eine tiefe Abscheu ob der gefühlten Ungerechtigkeit. Opfer müssen von allen auf allen Stufen im Rahmen ihrer Funktion erbracht werden. Alle machen nur ihren Job, den einige dabei eventuell sogar verlieren. Wird eine Opfer-Symmetrie über alle Stufen gewährleistet, fördert dies die Unternehmenskultur. Dies gilt auch für die Gewinn-Symmetrie. Man gönnt dem Chef gerne mehr, wenn er dem ganzen Team auch mehr gönnt.

Sinnvolle Obergrenze: Ist es ein Prozentsatz von Umsatz, Ebit oder Kundenzufriedenheit o.ä., der in den Vergütungstopf der Konzernleitung gehört? Oder gibt es einfach eine vernünftige Grösse oder sogar Obergrenze? Die Kompensation darf und soll auch motivierend sein. Reiche Leute geben durch ihren Lebensstil und Abgaben viel zurück an Gewerbe und Allgemeinheit. Sie investieren auch in junge Firmen und philanthropische Projekte, wo sie ihrem vielen Geld Sinn geben. Aber gibt es nicht eine Grenze, wo sehr hohe Belohnung von sehr guter Leistung zu penetranter Abzockerei und Abgehobenheit wird?

Ideelle und monetäre Werte: Die CEOs würden dem Ruf des Geldes folgen und sich von besser bezahlten Jobangeboten weglocken lassen – hört man immer wieder. Richtig? Wäre es für Stakeholders nicht dramatisch, wenn nur monetäre Werte zählten? Die Folgen müssten doch fatal sein, nämlich eine egoistisch-egozentrische Kultur, die letztendlich sogar der Kunde und Aktionär negativ spüren würde. Jeder wirkliche Unternehmer arbeitet doch zuerst für ‚seine Sache‘. Der Payback ist Resultat von Begeisterung, Identifikation, manchmal auch Idealismus. Diese ideellen Motivatoren wären doch auch dem angestellten Manager zu wünschen. Ich bin überzeugt, dass für jeden monetär gesteuerten CEO jederzeit mehrere potentielle und ebenso fähige Alternativen gefunden würden, welche dieselben Resultate mit der Hälfte des Kompensationspaketes erreichen würden und dank unternehmerischem Enthusiasmus diese erst noch ehrlicher feiern könnten.

Die Urväter aller weltweit grossen Unternehmen würden sich ziemlich sicher im Grabe drehen, wenn sie hörten, welche Saläre sich einige angestellte Topkader auszahlen, ohne auch nur das kleinste, unversicherte Risiko zu tragen. Ihr Erbe wurde zwar nur dank fähiger, angestellter Nachfolger zur heutigen Grösse entwickelt – und dafür sei ihnen auch gedankt – aber mit dem Gedanken der Minder-Initiative und dem Willen der Mehrheit des Volkes im Rücken wäre ein vernünftiges Mass auch im Vergütungstopf wünschenswert. Nichts wäre schlimmer, als eine Art ‚Durchsetzungsinitiative der causa Minder ad extremis‘, welche erneute Regelungen verursachen und dem Standort Schweiz einmal mehr und weiterhin schaden würde. Wenn ein Volk permanent gegen den eigenen Standort und die eigenen Arbeitgeber wettert, kann es nicht gut kommen.

AUTOR
Christoph Hilber ist Betriebswirtschafter und seit sieben Jahren Headhunter mit eigener Firma: P-Connect Executive Search & Recruiting hat den Fokus auf Industrie (MEM), IT/Telekom und Positionen VR, GL und Spezialisten. Vorgängig war er in leitenden Linienfunktionen bei NCR/AT&T, diAx und Siemens.