Stress, sturer Chef oder bockige Mitarbeitende? Oder ist Resilienz positiv gemeint?
Resilienz ist ein schwieriges Wort und kann Gutes und Ungutes bedeuten. Es taucht immer öfters in Diskussionen und Inseraten auf. Möglicherweise weil es gut tönt, man sich aber der widersprüchlichen Interpretationen zu wenig bewusst ist.
Der Begriff „Resilienz“ stammt ursprünglich aus der Physik und Materialwissenschaft. Hier bedeutet Resilienz die Fähigkeit eines Materials, nach einer Verformung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzukehren.
Von der Psychologie in den 70er-Jahren übernommen bedeutet Resilienz die Fähigkeit von Menschen, sich von Stress und Widrigkeiten zu erholen und sich an Veränderungen anzupassen.
Synonyme sind etwa: Robustheit, Selbstregulation, Standhaftigkeit, Widerstandsfähigkeit, Widerstandskraft, Zähigkeit.
Der Microsoft KI Copilot beschreibt Resilienz im Kontext der Arbeitswelt ziemlich umfassend (KI Prompt = «Beschreibe mir Resilienz in Zusammenhang mit Stellenprofilen»). Ob diese Beschreibungen der beabsichtigen Aussage in den Stelleninseraten entsprichen, lässt sich diskutieren.
Meines Erachtens ist dieser Begriff mit grosser Vorsicht zu geniessen, denn die Gefahr von Fehlinterpretationen ist gross.
Die Gefahr möglicher Fehlinterpretationen von Resilienz ist beträchtlich.
Beispiele möglicherweise ungewollter Interpretationen von Resilienz:
- Ist die Position mit viel Frustration verbunden? Häufige Strategiewechsel oder organisatorische Veränderungen bedeuten oft Neuanfang oder aus Sicht der Betroffenen unnötige Übungen mit Selbstbeschäftigung.
- Beginnt die Diskussion erst, wenn der Chef nein sagt? Die Mitarbeitenden sind kreativ, stossen jedoch häufig Widerstand. Ist Sturheit angesagt, wo es gilt, den längeren Atem, das bessere Netzwerk, die besseren Argumente zu haben oder einfach dranzubleiben? Argumentieren, bis das Gegenüber aufgibt?
- Durchsetzungsfähigkeit, wo Argumentation und Motivation allein nicht genügen? Artet die Zusammenarbeit in einen Kampf zwischen zwei Resilienten aus, in dem beide auf den gleichen Positionen beharren? Oder trifft man auf Mitarbeitende, welche veränderungsresistent sind? Endet die Diskussion in einem Befehl?
- Ist Stress angesagt? Eine Interpretation der Resilienz von KI weist auf viel Stress hin, wo Selbstmotivation der Treiber ist, jeden Tag wieder an die Arbeit zurückzukehren. Ist das eine gute Ansage für einen Job (-wechsel)?
- Man scheut keine Konflikte? Die Frage ist dann nur, mit wem Konflikte entstehen. Dem Vorgesetzten, den Mitarbeitenden oder beiden?
- Lange Arbeitszeiten, zu wenig Personal? Diese Situation ist möglicherweise der Grund für einen Jobwechsel. Am neuen Ort sollte es anders sein.
- Intrinsische Widerstandskraft – man ist niemals krank? Im Geschäftsalltag geht es heftig zu und her. Dies gilt es auszuhalten (physisch und psychisch).
- Haben Sie weitere Beispiele?
Stelleninserate sollten «Verkaufsprospekte» sein. Widrigkeiten dagegen müssen im Gespräch aufgebracht und positioniert werden.
Es gibt natürlich auch positive Interpretationen von Resilienz:
- Wir gehen Neues an: Es wird spannend, aber auch herausfordernd.
- Kreativität ist gefragt. Kritische Diskussionen müssen aber geführt werden können und sie bringen uns weiter.
- Überzeiten sind angesagt: Man schätzt Initiative und erwartet Extrameilen. Wertschätzung mit Erfolgsbeteiligung oder Kompensation ist die Norm.
- Stehauf-Männchen bzw. -Frauchen: Wenn es heute nicht klappt, dann sicher das nächste oder übernächste Mal. Was nicht umbringt, macht stark. Man kann lernen.
- Haben Sie weitere Beispiele?
Fazit:
Warum einen Begriff verwenden, der sehr widersprüchlich interpretiert werden kann? Zum Glück ist es ein schwieriges Fremdwort, welches gut tönt, aber dessen Bedeutung unklar ist. Ich würde diesen Begriff meiden und anstelle klarere und positiv belegte Synonyme und Beschreibungen verwenden, die den Alltag in der Position beschreiben.
Verwenden Sie «Resilienz» in der Rekrutierung? Welche Alternativen würden Sie empfehlen? Ich bin gespannt auf Ihre Kommentare.
Dieser Artikel wurde auch in unserem ‚Recruiting+Bewerbung Blog‚ auf Linkedin publiziert.
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