QUOTENREGELUNG FÜR FRAUEN – Dies wird ein Thema sein, bis der Frauenanteil in der Chefetage signifikant angestiegen sein wird, anstehende Revision des Aktienrechts hin oder her. Liegt die Lösung bei Vorgaben der Politik oder der Selbstregulierung der Wirtschaft? Der Schweizerische Arbeitgeberverband hat mit seiner Liste von 400 VR-innen und VR-Kandidatinnen einen ersten Schritt getan.
VR-Praxis 07/2015; TEXT CHRISTOPH HILBER
Download Artikel als PDF
Auf www.unternehmerzeitung.ch veröffentlicht / auch als Blog auf HRundLeadership.ch
Der politische Prozess polarisiert: Während linke Positionen am liebsten 40 Prozent Frauenquote im VR und 33 Prozent in den Geschäftsleitungen von Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern gesetzlich verankern würden, setzt die Wirtschaft auf Selbstregulierung. Die Frauenquoten stellen einen unrealistischen Overkill dar, und der freiwilligen Frauenförderung würde ziemlich sicher der nötige Druck zur Tat fehlen. Zwei unterschiedliche Wege mit demselben Ziel. In einer nicht repräsentativen Umfrage von P-Connect *) zu diesem Thema haben sich zwei Meinungen herauskristallisiert: Frauenquoten auf VR- und GL-Ebene finden 27 Prozent der Frauen und 66 Prozent der Männer unnütz. Über 70 Prozent aller Antwortenden würden eine Frauenförderung den Quoten vorziehen.
OPTIONEN?
Aus vielen Kommentaren in der Umfrage – aber auch aus der Denkhaltung des Schreibenden – scheint es sinnvoll, zunächst die Frauenförderung zu priorisieren.
EIGENMOTIVATION Wer nicht will, soll nicht müssen. Wer will, soll hingegen können. Frauen sollten nicht per Dekret in die Chefetagen geprügelt werden. Persönliche Gespräche mit Verwaltungsräten zeigen, dass sie noch so gern Frauen in VR und GL berufen würden. Die Vorteile von Diversität sind inzwischen in allen grösseren Unternehmen angekommen. Es wäre aber nicht sinnvoll, wegen des Geschlechtes einen Kompromiss zu weniger geeigneten Persönlichkeiten einzugehen.
KULTUR Gesellschaftskultur im Rollenverständnis von Mann und Frau ist nicht eindeutig messbar. Ich denke aber, dass sie in der Schweiz so weit entwickelt ist, dass die Gleichberechtigung in den Chefetagen eher begrüsst oder zumindest nicht mehr verpönt wird. Eine erfolgversprechende Weiterentwicklung wäre vielleicht, dass Männer nicht mehr als Alleinversorger betrachtet werden, sondern dies auch bei Frauen als natürlich gilt – und beide dies nicht müssen, sondern wollen.
RAHMENBEDINGUNGEN Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie zum Beispiel Kinderbetreuung, Jobsharing, flexiblere Arbeitszeiten auch im Kader wurde in der Umfrage sowohl von Frauen wie auch Männern mit über 60 Prozent befürwortet. Es wäre hilfreich, wenn sich Politik und Wirtschaft auf eine wirkungsvolle Familienpolitik einigen könnten. Der Status quo ist ungenügend, und die aktuelle Polterei gegen Vorschläge seitens Bundesrat destruktiv.
FÖRDERUNG AN DER BASIS Ein Resultat über eine Gleichung zu erzwingen, in welcher die Variablen dies nicht zulassen, ist mathematisch falsch und auch politisch unrealistisch. Wirtschaft und Technik sind interessante Themen, für welche auch Mädchen und Schülerinnen begeistert werden können. Vielleicht könnte die Energie des schulpolitischen Sprachenstreits auf mehr wirtschafts- und technikrelevante Fächer umgelenkt werden?
MACHOS AUF CHEFETAGEN Diese Option dürfte sich – falls noch vorhanden – in Kürze selber lösen. Zumindest auf Ebene VR und GL dürften diese Spezies bald weggestorben sein.
FAZIT
In unserem hochentwickelten Land besteht noch ein grosses Potential, das Gesellschaftsverständnis von einem ausgewogenen Zusammenwirken von Mann und Frau weiterzuentwickeln. Die Chefetagen wären froh und würden an Substanz und Menschlichkeit gewinnen. Schön, wenn Zeit und angemessene Förderung das Thema obsolet machen würden. Und damit könnte ein Rundschlag mit dem Zweihänder – genannt Quote – verhindert werden.
AUTOR
Christoph Hilber ist Betriebswirtschafter und seit sieben Jahren Headhunter mit eigener Firma: P-Connect Executive Search & Recruiting hat den Fokus auf Industrie (MEM), IT/Telekom und Positionen VR, GL und Spezialisten. Vorgängig war er in leitenden Linienfunktionen bei NCR/AT&T, diAx und Siemens.