Checkliste Lohnungleichheit

Checkliste Lohnungleichheit

Die neusten Zahlen des Bundesamts für Statistik (BfS) weisen eine unerklärte Lohndifferenz im Privatsektor von 8.1% aus. Im mittleren bis obersten Kader im privaten und öffentlichen Sektor sind es sogar 18.5%. Was läuft hier falsch?

Beitrag von CHRISTOPH HILBER erschienen in

Handelszeitung – Meinungen – 21. März 2019 – Download des Artikels als PDF.

Wo liegt das Problem?

Seit 1981 ist Gleichstellung von Mann und Frau in der Bundesverfassung verankert. Obwohl dies auch die Lohngleichheit betrifft, sind die Löhne der Frauen nach 38 Jahren durchschnittlich immer noch 7.7% (privat und öffentlich) tiefer.

Liegt es an den Frauen? Akzeptieren Frauen freiwillig zugunsten der / ihrer Männer einen tieferen Lohn für die gleiche Arbeit? Nein.

Liegt es an den Männern? Wären die Frauen in den Entscheidungsgremien in der gleichen Überzahl wie heute die Männer, würden wir Männer tiefere Löhne einfach so akzeptieren? Nein.

Ist es ein Naturgesetz? Primatentum und Machogehabe sind vorbei. Heute im 21-igsten Jahrhundert ist Westeuropa kulturell – wozu auch das Verhältnis der Geschlechter Mann/Frau/Divers zählt – weltweit führend. Der Schweiz steht dabei eine Spitzenrolle in Sachen gelebter Demokratie und Gleichheit zu. Auch hier nein.

Liegt es am Business Case? Keine Hochschule weltweit würde es wagen, in der Kostenlehre zwischen ‘männlichen, weiblichen, diversen’ Lohnkosten zu unterscheiden. Würde dies ein Unternehmen tun, würde dieses wohl unter einem Shitstorm begraben. Also nein.

Ist die Umsetzung zu kompliziert? Viele Unternehmen haben die Lohngleichheit umgesetzt. Bei durchschnittlich 8.1% Lohndifferenz im Privatsektor (bei gleicher Arbeit wohl verstanden) wird es viele Unternehmen geben, welche die Lohngleichheit faktisch umgesetzt haben. Es muss also eine stattliche Gruppe von Firmen geben, welche eine wesentliche höhere Lohndifferenz ausweisen würden, würde man dies einmal analysieren wollen. Hier sicher auch nein.

 

Die Situation der Lohn-Ungleichheit positiv darzustellen, fällt schwer. Sie ist eigentlich nicht erklärbar.

Wer ist in der Pflicht?

Welche Überlegungen könnten den fehlbaren Unternehmen bei der Umsetzung helfen?

Verwaltungsrat in der Pflicht? – Ja. Wohl kaum ein Vergütungsausschuss würde es wagen, einer Frau wegen ihres Geschlechts ein tieferes VR-Honorar zuzugestehen, dito in der GL. Gibt es einen Grund, dies auf Ebene Mitarbeitender anders zu handhaben?

Geschäftsleitung in der Pflicht? – Ja. Auf GL-Ebene gibt es wohl zwei Argumente zum Thema Lohngleichheit: die Lohnsumme und ein fehlendes Konzept, Profile nach Rollen / Funktionen zu strukturieren. Vorwände?

Human Resources (HR) in der Pflicht? – Jein. Eigentlich ja. Da aber das HR meist faktisch nur ausführendes Organ der Geschäftsleitung ist, kann ihm somit meist kein Vorwurf gemacht werden.

War for Talents

Lohngleichheit als Konkurrenzvorteil? Junge Talente – männlich oder weiblich – , welche der Wirtschaft zunehmend fehlen, werden darauf anspringen. Das BfS sieht einen wichtigen Grund für die Hartnäckigkeit darin, dass Frauen bereits beim Berufseinstieg diskriminiert werden und danach nicht mehr aufholen können. Deklarierte Lohngleichheit wäre sicher ein gutes Argument in HR-Marketing und Rekrutierung.

Fazit

Bundesrätin Sommaruga brachte es letztes Jahr im Ständerat auf den Punkt: «Die Frist ist nach 37 Jahren Bundesverfassung abgelaufen.» Jeder VR hätte seinen CEO schon längst gefeuert, würde er sich mit der Umsetzung einer VR-Vorgabe 37 Jahre Zeit lassen. Will die Wirtschaft weniger Regulierung, dann sollte sie nicht selbst immer wieder unnötige provozieren.