Lohntransparenz ist ein Trendwort im Personalwesen und wird oft als wichtiges Element in der Unternehmenskultur zelebriert.
Dieses Thema bearbeite ich auf zwei Beiträge verteilt:
- Lohntransparenz nach innen (dieser Beitrag)
- Lohntransparenz nach aussen (nächster Beitrag)
Praktisch alle Kandidaten setzen Sinnhaftigkeit über monetäre Anreize.
Meine Erfahrung als Executive Searcher zeigt, dass das Gehalt sehr selten Grund für eine Kündigung ist. Vielmehr stehen qualitative Merkmale im Vordergrund: Fehlende Weiterentwicklungsmöglichkeiten, zwischenmenschliche Unstimmigkeiten, Rahmenbedingungen. Sicher ist das Entgelt ein wichtiger Faktor. Praktisch alle Kandidaten setzen Sinnhaftigkeit über monetäre Anreize.
Ich unterscheide zwischen folgenden Arten der Lohntransparenz:
- Keine Lohntransparenz hat eine Firma, die bei der Rekrutierung einfach situativ ‘einkauft’ – einmal tiefer, einmal höher. Gehälter folgen keiner Struktur. Kurz gesagt: keine Salärstrategie.
- Stille Lohntransparenz: Im Unternehmen besteht ein Lohnraster, in welchem Rollen / Anforderungsprofile über Lohnbänder gelegt werden. Man verfügt über ein Lohninventar und weiss, welche Mitarbeitenden sich in welcher Rolle und in welchem Lohnband befinden. Man kennt die ‘Ausreisser’ und kann diese über Zeit anpassen. Oder man definiert für die Ausnahmen neue Rollen. Neueinstellungen erfolgen gemäss Lohnraster. Das Lohnraster ist intern aber nicht offiziell bekannt.
- Aktive Lohntransparenz: Ein Lohnraster ist vorhanden und zugänglich für alle Mitarbeitenden. Man bewirbt dieses auch als Zeichen guter Unternehmenskultur. Ist die Kultur wirklich offen, dann werden in den Lohnbändern sämtliche bandbestimmenden Kriterien, alle Lohnbestandteile, Rollen und Hierarchien aufgeführt. Der Unterschied zur stillen Lohntransparenz besteht darin, dass sich alle Mitarbeitenden in einem intern einsehbaren Lohnraster verorten können und somit auch wissen, was Kolleginnen und Kollegen verdienen (dürften). Wer über dem Lohnband entlöhnt wird, dürfte wohl Ruhe bewahren.
- Externe Lohntransparenz: Diese Lohntransparenz wird auch nach aussen manifestiert. Auf diese gehe ich im meinem nächsten Blog detaillierter ein.
Einführung von Lohntransparenz
- Lohntransparenz bedeutet nicht, dass alle Löhne offengelegt werden. Das mag dort funktionieren, wo sämtliche Mitarbeitenden (meist Gründer / Inhaber) gleichwertige Rollen wahrnehmen.
- Die Vorarbeit zu Lohntransparenz ist die Erstellung eines Lohnrasters, für kleinste bis grösste Unternehmen empfehlenswert. Es bringt Struktur und bessere Planbarkeit. Erstellt man das Raster neu, stösst man wahrscheinlich auf viele unbeabsichtigte Ungleichheiten. Vor dem nächsten Schritt müssen diese angeglichen oder dafür neue Rollen definiert werden. Bei der erstmaligen Erstellung wird man schnell erkennen, dass die Gesamtlohnsumme eher steigt, denn Lohnerhöhungen sind für den Ausgleich einfacher als Lohnkürzungen.
- Die Einführung einer aktiven Lohntransparenz ist im Anschluss primär eine Kommunikationsaufgabe. Nicht nur die Führungskräfte müssen das Lohnraster kennen, auch Mitarbeitende müssen dieses lesen und interpretieren lernen.
Fairness!
Was bringt eine Lohntransparenz? – Fairness!
- Ob Gleichstellung oder «gleicher Lohn für gleiche Arbeit», Fairness ist ein Überbegriff. Jedes Lohnraster hilft bei Lohndiskussionen oder Einstellungen, eine faire Positionierung bezüglich Rolle und Gehalt zu finden. Wer sich beim Lohn ausgenutzt und unfair behandelt fühlt, ist unzufrieden und auf dem Absprung. Firmen, welche auf Basis Geschlecht ungleich bezahlen, gehören schon längst abgeschafft.
Stille versus aktive Lohntransparenz
Während die stille Lohntransparenz hoffentlich für faire Löhne sorgt, bringt eine aktive Lohntransparenz zusätzlich sozio-kulturelle Vorteile:
- Fairness kann eingefordert werden, es entsteht durch die Sichtbarkeit Druck aus der Belegschaft.
- Motivation zu persönlicher Weiterentwicklung: Wer das Lohnraster studiert, sieht nicht nur inhaltliches Entwicklungspotenzial, sondern auch die finanzielle Attraktivität anderer Rollen, also eine Belohnung für persönliches Engagement und Weiterbildung.
- Arbeitgeberattraktivität, Employer Branding: Eine aktive Lohntransparenz (und attraktive Löhne) wird auch in der Freizeit diskutiert und hilft Mitarbeitenden, Freunde und Bekannte zu einer Bewerbung zu inspirieren.
- Menschenorientierte Unternehmenskultur: Dank Transparenz fühlen sich Mitarbeitende wertgeschätzt.
Wem ist Lohntransparenz zu empfehlen?
- Grossfirmen oder Staatsbetriebe verfügen seit jeher über Lohnbänder, um subjektive Lohnfestlegungen bzw. ein unberechenbares Lohnchaos zu verhindern. Der Schritt zur aktiven Lohntransparenz dürfte für sie klein sein.
- Für Firmen, welche lohnführend sind, ist aktive Lohntransparenz einfach. Sie können nicht verlieren, sofern sie über ein funktionierendes Lohnraster verfügen.
- Für langjährig organisch gewachsene Unternehmen dürfte nur schon die Einführung einer stillen Lohntransparenz eine Herausforderung sein. Je grösser die Alters- und Ausbildungsunterschiede sind, desto mehr dürften die effektiven Löhne in ähnlichen Rollen divergieren.
- Gewerbe und Kleinfirmen, welche keine Spitzenlöhne zahlen können, würde ich von Lohntransparenz abraten. Sie entlohnen in der Regel aus Eigeninteresse ihre Mitarbeitenden fair, da jeder / jede sichtbar zur Wertschöpfung beiträgt und persönliches Engagement gewürdigt werden kann.
Kann Lohntransparenz schaden?
- Wenn die Vorarbeit zu einem Lohnraster gemacht wird, kann Lohntransparenz nie schaden. Schadenspotenzial entsteht erst ab Stufe «aktive Lohntransparenz».
- Wer unklare Lohnraster erstellt, also wichtige Lohnbestandteile unterschlägt oder gewisse Rollen ausschliesst, dem würde ich von aktiver Lohntransparenz abraten. Mitarbeitende finden die Ungereimtheiten sehr schnell.
- Auch wenn das Thema Lohn in der Schweiz eher noch Tabu ist, kann eine Diskussion über den Lohn nicht ausgeschlossen werden. Mit aktiver Lohntransparenz können Fakten verglichen werden, während ohne oder mit stiller Lohntransparenz eine Lohndiskussion immer vage und damit weniger kritisch bleibt.
Mein persönliches Fazit
Lohnraster unbedingt, Lohntransparenz eher nein. Auch wenn Studien belegen, dass Mitarbeitende eine aktive Lohntransparenz wünschen, würde ich mich davon nicht drängen lassen. Wer Lohntransparenz intern als Teil des Employer Brandings einsetzt, sollte sein Vergütungssystem sehr gut kennen. Nur mit einem konsequenten System und attraktiven Lohnbändern lassen sich positive Effekte generieren. Die Gefahr zu Unzufriedenheit ist gross. Es gibt bessere Instrumente zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit.
Im nächsten Blog mehr zu «Externe Lohntransparenz».
Sind Sie anderer Meinung? Ergänzende Gedanken? Ich freue mich auf die Diskussion.