VR-PRAXIS-Persönlich im Gespräch mit Susanne Ruoff. Die Schweizerische Post muss vielen verschiedenen Anspruchsgruppen gerecht werden. Dies verlangt viel diplomatisches Geschick und eine klare Kommunikation. Zudem sieht sich die Konzernleiterin mit der Aufgabe konfrontiert, den ehemaligen Staatsbetrieb und drittgrössten Arbeitgeber der Schweiz in das digitale Zeitalter zu führen.
Gespräch mit ANOUK ARBENZ, CHRISTOPH HILBER
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Digitalisierung ist nicht alles, findet die Konzernleiterin der Schweizerischen Post und Verwaltungsrätin der PostFinance AG, eine der mächtigsten Frauen der Schweizer Wirtschaft. Die Post passt sich den veränderten Kundenbedürfnissen an und arbeitet an neuen Lösungen: Von der individuellen Steuerung von Paketen und eingeschriebenen Briefen, der Zustellung am Abend und am Samstag bis zur Lieferung mit Drohnen und autonom fahrenden Postautos. Susanne Ruoff im Gespräch über die Folgen des digitalen Wandels, ihren Führungsstil und die Herausforderung, zur richtigen Zeit die richtigen Worte zu finden.
Vor rund vier Jahren haben Sie den Chefposten bei der Post übernommen. Zuvor hierarchisch geführt, sind Sie eher für Ihren kooperativen Führungsstil bekannt. War diese Umstellung schwierig?
SUSANNE RUOFF Meine Art zu führen ist anders als jene meiner Vorgänger, das ist so. Wir haben einen Führungsstilwechsel vollzogen, der den einen passt, den anderen weniger. In meinen Augen etablierten wir denjenigen Stil, den wir im Hier und Jetzt brauchen. Auch unsere Kommunikation ist nicht hierarchisch, sondern wird geprägt von einem riesigen Netzwerk. Wir haben ein grosses Leadership- Programm aufgebaut, mit dem wir den Führungskräften die Richtung vorgeben und unsere Vision vermitteln. In der Konzernleitung arbeiten wir sehr eng und gut zusammen, das wirkt sich letztlich auch auf die gesamte Organisation aus.
Nichtsdestotrotz handelt es sich dabei um einen neuen Ansatz, auf den das Team wahrscheinlich nicht vorbereitet war, oder?
Eine solche Veränderung passiert ja nicht über Nacht, sie entwickelt sich über längere Zeit. Als ich hierher kam, musste ich anfangs vieles über die Post lernen, die ja gleichzeitig eine Bank, ein ÖV-, ein Logistik- und ein Kommunikationsunternehmen ist. Das spielte aber nicht so eine Rolle, denn die Fachkompetenz liegt ja bei den 60 000 Mitarbeitenden. Als Führungsperson musste ich mich fragen: Wie kann ich die richtigen Entscheide mit den richtigen Leuten treffen, diese umsetzen und damit die Post weiterhin auf Erfolgskurs zu halten? Dazu braucht es partizipative, integrative Kompetenzen.
Sie haben rund 20 Jahre lang in der ICT mitgeholfen, Prozesse durch Digitalisierung zu optimieren und finden sich nun im Spagat wieder, die Digitalisierung als Teil Ihres Geschäftsmodells voranzubringen, während der Hauptumsatz mit physischen Gütern erwirtschaftet wird. Wie meistern Sie das?
Der Markt verändert sich laufend, wir haben es mit neuen Technologien, neuen Konkurrenten und veränderten Kundenbedürfnissen zu tun. Die Digitalisierung ist darum bereits heute Realität und nicht einfach Zukunftsmusik. Unsere Paket- und Briefzentren sind hochautomatisiert. Wir haben 1500 Informatiker, die jeden Tag an neuen Lösungen arbeiten. Von aussen sieht man das kaum. Digitale Dienstleistungen und Produkte ergänzen das physische Geschäft und bieten unseren Kunden einen Mehrwert. Wir möchten die physische und die digitale Welt verbinden. Beispiele gibt es viele. Kunden können die Ankündigung von Paketen per SMS wählen. Demnächst wird man selber via PC oder Smartphone bestimmen können, wo das Paket geliefert werden soll, also beispielsweise im Büro statt Zuhause. Der Mensch braucht das Physische, das liegt in seiner Natur. Wir glauben nicht, dass alles digital wird. Die Kunden sollen zwischen physisch und digital wählen können.
Besteht auf dem Weg zur Digitalisierung nicht die Gefahr, dass das klassische Geschäft verdrängt wird?
Es wird ergänzt und umgewandelt, nicht verdrängt. Aber das Umfeld entwickelt sich sehr viel schneller als früher. Amazon beispielsweise will in Zukunft selber Pakete verteilen. Es ist entscheidend, dass wir nicht einfach abwarten und zuschauen, sondern den Markt proaktiv gestalten. Veränderungen gab es immer bei der Post; wir sind auch schon mit der Postkutsche über den Gotthard gefahren. Nur die Geschwindigkeit hat zugenommen. Aus diesem Grund haben wir viele Projekte am Laufen, die weit in die Zukunft schauen, etwa das Drohnenprojekt oder das führerlose Postauto. Dies in enger Zusammenarbeit mit den Hochschulen.
In Ihren Jobs vor der Post waren Sie sich an Firmen mit klaren strategischen Vorgaben für die Länderorganisation gewöhnt. Nun erwartet man von Ihnen, dass Sie quasi über Nacht eine neue Strategie aufgleisen.
Nein, die Post ist seit Jahren erfolgreich unterwegs und braucht keine schnellen Strategieänderungen. Es geht um eine stetige, konsequente Weiterentwicklung. Die Strategiefindung ist bei der Post ein klar strukturierter Prozess: Von den Zielen des Bundesrats über die strategischen Vorhaben des Verwaltungsrats bis zur operativen Umsetzung in Markt und Betrieb. Natürlich gibt es auch Entscheide, die man Ad hoc treffen muss. Führen bei der Post bedeutet vor allem, die internen und externen Anspruchsgruppen mit ihren teils gegensätzlichen Erwartungen und Meinungen auf eine Linie zu bringen.
«DIE POST IST SEIT JAHREN ERFOLGREICH UNTERWEGS UND BRAUCHT KEINE SCHNELLEN STRATEGIEÄNDERUNGEN»
Müssen Frauen in der von Männern dominierten Geschäftswelt domiBilder: zVg nanter auftreten, um Ihrer Rolle als Führungsperson gerecht zu werden, respektive überhaupt in eine solche Rolle zu gelangen?
Nein, wie gesagt tue ich das ja gerade nicht. Das wichtigste ist für mich, authentisch zu bleiben. Die grossen Unterschiede in der Art und Weise, wie geführt wird, haben meiner Meinung nach nichts mit dem Geschlecht zu tun, sondern mit der Persönlichkeit und den eigenen Wertvorstellungen. Als Postchefin muss ich mir zudem immer bewusst sein, dass jede Aussage interpretiert wird. Man muss also genau darauf achten, wie man was sagt und zu welchem Zeitpunkt man dies tut.
Sie haben sich in verschiedenen Interviews immer wieder für die Teilzeitarbeit und alternative Arbeitsmodelle ausgesprochen und führten bei der IBM als Novum ein Team im Jobsharing. Lässt sich das bei der Post umsetzen?
Bei der Post gibt es seit Jahren alle Arten von Teilzeitmodellen, inklusive Jobsharing. Ich habe gemeinsam mit sechs anderen CEOs die Work Smart Charta erstunterzeichnet. Die Post bekennt sich zu den flexiblen Arbeitszeiten und ich bin klar der Meinung, dass die heutige Gesellschaft eine solche Veränderung braucht. Die Umsetzung liegt an den Mitarbeitenden, sie müssen das wollen und sich selber organisieren. Bei uns geht das bis ins Topkader. Es ist allerdings nicht jede Aufgabe für Jobsharing oder Teilzeitarbeit geeignet.
Sie sind Mitglied im Verwaltungsrat der Postfinance AG, wo Sie dem CEO die strategischen Vorgaben mitgeben. Wie beurteilen Sie die beiden Rollen?
Im Verwaltungsrat der PostFinance legen wir den strategischen Rahmen fest. In einer operativen Rolle ist man mehr der Macher, setzt die Strategie um und kontrolliert deren Umsetzung. Mir fällt auf, dass es heutzutage enorm wichtig ist, an einer gesetzten Strategie festzuhalten. Im Laufe meiner Karriere habe ich viele Beispiele von voreiligen Strategiewechseln gesehen. Manchmal fehlt schlicht der Durchhaltewille. Auch in schwierigen Momenten muss man hartnäckig bleiben.
«WIR MÖCHTEN DIE DIGITALE UND DIE PHYSISCHE WELT VERBINDEN»
Besteht manchmal die Gefahr, dass Sie operativ eingreifen, obwohl Sie in der Rolle des VR sind?
Es ist eine Gratwanderung, das ist schon so. Man muss sich seiner Rolle bewusst sein. Bei der Post mit derart vielen gesetzlichen Vorgaben und Aufsichtsorganen müssen die Rollen ganz klar definiert sein.
Ist der Posten als Konzernleiterin ein einsamer Job?
Es gibt Dinge, die man ganz alleine entscheiden muss, das ist klar. Man muss mit beiden Füssen auf dem Boden stehen und auch Dinge durchhalten können. Allein ist man aber nicht. Es findet ja immer ein Austausch mit den Kollegen der Konzernleitung und dem Verwaltungsrat statt. Ich tausche mich auch mit anderen CEOs in der Schweiz und im Ausland aus, um auch aus den Erfahrungen anderer zu lernen. Man muss aber die Fähigkeit haben, sich als Chef selbst zu reflektieren und offen für Feedback zu sein.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie sähe dieser aus?
Ich habe vorhin gesagt, dass man genau darauf achten muss, wie man was wann sagt. Ich wünschte mir manchmal, dass es einfacher wäre, komplexe Sachverhalte knapp und verständlich auf den Punkt zu bringen. Wenn man ein derart grosses Unternehmen führt, ist es oftmals sehr herausfordernd, dass Botschaften ankommen und verstanden werden.
Zur Person
Als erste Frau in dieser Position wurde Susanne Ruoff im November 2011 durch den Verwaltungsrat der Schweizerischen Post zur Konzernleiterin ernannt. Ursprünglich als Primarlehrerin gestartet und danach zur Ökonomin ausgebildet, erwarb sie den Executive Master of Business Administration an der Universität Fribourg. Von 1989 bis 2009 war Ruoff für IBM Schweiz in verschiedenen Führungsfunktionen in den Bereichen Marketing, Vertrieb und Dienstleistungen tätig. Als Leiterin des Geschäftsbereichs öffentliche Verwaltungen baute sie einen engen Kontakt zu Bund und Verwaltung auf. Als Geschäftsleitungsmitglied von IBM Schweiz war sie von 2006 bis 2009 verantwortlich für Global Technology Services. Dies ist der grösste Bereich bei IBM und umfasst den gesamten Maintenance-, Outsourcing- und Service- Projektbereich. Anschliessend war Ruoff drei Jahre lang in der Position des CEO bei der BT Switzerland AG. Zudem war sie von 2009 bis 2013 Mitglied des VR von Geberit und im VR der Bedag Informatik AG, dem Informatikunternehmen des Kantons Bern. Bis 2012 war sie Mitglied des Industrial Advisory Board des Departements Informatik der ETH Zürich. Susanne Ruoff hat zwei erwachsene Kinder und wohnt mit ihrem Mann in Crans-Montana im Kanton Wallis.